Oh, where have you been, my blue-eyed son?

Nur die leicht scharfe, sehr präsente Stimme von Kurt Elling, mit dezentem Hall, die den Bob Dylan Text rezitiert, fast wie eine Predigt. Dann eine einzelne Gitarre und beim Refrain „It’s a hard, it’s a hard, it’s a hard, it’s a hard, it’s a hard rain’s a-gonna fall“ steigt die Band ein. Branford Marsalis mit seinem unverkennbaren Saxophon-Sound. Ein Eröffnungstrack wie ein Ausrufezeichen. Kurt Elling nudelt nicht irgendwelche Jazzstandards runter – er hat sich sehr bewusst für diese Songauswahl entschieden. Allein dafür liebe ich die Platte schon!

Elling covert Singer/Songwriter wie Bob Dylan, Peter Gabriel und Paul Simons „American Tune“ – 1973 als kritischer Blick auf Amerika erschienen und 2018 aktueller denn je.

„The Questions“ heißt das Album und ja, es geht um die großen Fragen des Lebens.

Was ist der Sinn? Wo liegt das Glück? Warum all der Schmerz?

Track 2 trägt den Titel „A Happy Thought“, obwohl es um den Tod geht. Es ist ein vertontes Gedicht des Amerikaners Franz Wright. Ich suche das Gedicht, lese es und bekomme sofort feuchte Augen …  die Zeilen berühren etwas in mir. Auch dafür liebe ich Musik! Man hört ein Album, eine Zeile, forscht nach „Woher kommt dieser Text?“, „Wer spielt da mit?“, „Warum diese musikalische Zusammenstellung?“ – schon öffnet sich ein ganzes Universum und ich bemerke, dass ich dringend „Briefe an einen jungen Dichter“ von Rainer Maria Rilke lesen muss, weil mir der Ausschnitt im Booklet so gut gefällt.

Wie schön das ist! Eine geniale Reise, die aufwühlt, erfreut, nachdenklich stimmt. „A Secret In Three Views“ ist eigentlich ein Instrumentalstück von Jaco Pastorius, das Elling mit einem Gedicht des Mystikers Rumi verbunden hat. Hmm, was weiß ich eigentlich über den? Weiterforschen! Wie haben es Sister Sledge mal so schön auf den Punkt gebracht? „We’re lost in music…“

Spoiler: Gegen Ende wird „The Questions“ für meinen Geschmack einen Hauch plätschernd, aber davor: WIRKLICH TOLLES ALBUM!