Ich lasse mich ja gerne vom Zufall leiten und in diesem Fall bin ich bei der Arbeit Tobias Klein über den Weg gelaufen, der seit einiger Zeit unter anderem für die Organisation der Ingolstädter Jazztage zuständig ist. Ingolstadt ist eigentlich auch nur eine Stunde von München entfernt, denke ich … das schau ich mir mal an. Mit der Jan Garbarek Group feat. Trilok Gurtu im Stadttheater Ingolstadt hab ich im Programm auch schnell etwas gefunden, das mich sehr interessiert.
Als ich am Freitagabend in den Festsaal des Theater komme, wird mein Blick sofort von der beeindruckenden Menge an Percussioninstrumenten von Trilok Gurtu gefangen. Da steht sogar ein Blecheimer mit Wasser drin … ich bin super gespannt, wofür der verwendet wird! Über der Bühne sind weiße Tücher gespannt, die eine schöne Intimität herstellen – einfach, aber effektiv. Irgendwas zwischen Fotostudio und Beduinenzelt.
Die vier schon etwas betagten Herren betreten die Bühne und legen mit einer Soundlandschaft los, die sich langsam aufbaut, ständig verändert, dann an Tempo zulegt und einen sofort gefangen nimmt. Hier wird ein bunter Teppich gewoben – von Musikern, die aus völlig unterschiedlichen Ecken des Erdballs stammen. Pianist Rainer Brüninghaus kommt aus Deutschland, Bandleader Jan Garbarek aus Norwegen, der Bassist Yuri Daniel stammt aus Brasilien und Trilok Gurtu aus Indien. Von nordischer Kühle bis brasilianischem Feuer ist an diesem Abend alles drin, manchmal kommt es aber genau aus der Ecke, aus der man es nicht erwartet. Völlig geflashed bin ich zum Beispiel von einem grandiosen Solo von Rainer Brüninghaus (p), der ansonsten zwar super spielt, aber eher unauffällig im Hintergrund bleibt. Virtuos und erfindungsreich bearbeitet er den Flügel. Immer wenn ich denke: „Ah, hier sind wir also!“, schlägt er einen Haken und prescht in eine andere Richtung davon. Einfach fantastisch.
Jan Garbarek selbst spielt Flöte, Sopran- und Tenorsaxophon und erschafft so für jedes Stück einen ganz eigenen Sound. Er ist der Nucleus um den sich alle gruppieren, trotzdem lässt er seinen Mitmusikern unheimlich viel Raum und Freiheit. Macht großen Spaß, das zu beobachten und zu erleben. Achja, der Blecheimer mit Wasser: Auf dem spielt Trilok Gurtu so einen coolen Beat, dass das Wasser in immer neuen Fontänen ganz entfesselt zu tanzen beginnt. Jazz-Wasserspiele sozusagen.
Bonustrack: Nach dem Konzert fahre ich noch zur „Jazzparty I“ in ein Ingolstädter Hotel. Dort spielen verschiedene Funk- und Fusionbands auf zwei improvisierten Bühnen. Ich erwische noch die Hälfte des Auftritts vom dänischen E-Bassisten Chris Minh Doky mit seinen Electric Nomads (Dave Weckl am Schlagzeug!) – tolle Entdeckung, den schaue ich mir auf jeden Fall noch mal an. Als großer Prince-Fan warte ich danach noch auf den Auftritt der Bassistin Ida Nielsen, die eine zeitlang mit dem Meister unterwegs war, aber ihr Funk klingt für mich eher verstaubt und nicht besonders zeitgemäß.
Alles in allem finde ich die Idee mit Konzert und anschließender Party aber richtig gut. Sollte München jemals ein Jazzfestival bekommen – das kann man sich gerne aus Ingolstadt abschauen.
Liebe Laura, wir hatten die Garbarek-Group am 1.Juli hier in Nürnberg im Serenadenhof zu Gast, einem sehr lauschigen open-air-Platz. Trotz heftigen dunklen Gewitterwolken konnten die tollen Musiker schön zuende spielen. Auch bei uns hat Brüninghaus ein grandioses Solo hingelegt, wie auch Trilok Gurtu. Der Wassertropfen in die Stille war für mich sogar der Höhepunkt bei dem musikalisch eh schon hohen Niveau. Der Bassist Yuri Daniel hat sich gut eingefügt, dennoch spürte ich einige Wehmut bei der Erinnerung an Eberhardt Weber, der der Gruppe immer einen ganz eigenen, unvergleichlichen Ton mitgegeben hat. Und Garbarek selbst immer noch in seiner jazzigen Kraft, wobei ich ihn gern öfter auf dem Tenor gehört hätte. Ich hatte aber auch an dem Abend den Eindruck, daß durch die vielen, langen Soli die Zentrifugalkräfte etwas zu stark waren. Dennoch ein toller Abend !